Meisterprüfung

Veröffentlichung meines Meisterprüfungsprojekts in der aktuellen Ausgabe der PHOTOPRESSE | PP 08


Ein durchdachtes Konzept ist der halbe Meister

Auf einem Arbeitsmarkt, der in den vergangenen Jahren maßgeblich von ambitionierten Hobbyfotografen, Foto-Apps und Fast-Foto-Studios geprägt wurde, ist der Meistertitel für mich mehr und mehr zum unumgänglichen Qualitätssiegel avanciert. In mein Meisterstück habe ich deswegen so viel Herz, Zeit und Akribie investiert wie in wohl kaum ein Projekt meiner bisherigen Laufbahn. Im Folgenden möchte ich exklusive Einblicke in meine Arbeit geben, Stolperfallen aufzeigen und darstellen, wieso der Meisterlehrgang eine lohnende Investition in die Zukunft ist.


12 Aufnahmen aus drei Schwerpunkten der Fotografie können einen Gesellen zum Fotografenmeister machen. So viel zur Theorie. Doch der Weg von der Entscheidung, diese Hürde in der Fotografenlaufbahn bezwingen zu wollen, bis zu jenen 12 Aufnahmen ist weit, hart und viel intensiver als man sich es im ersten Moment vorstellen mag:


Dass ich mich mit Food-Fotografie beschäftigen wollte, stand schon lange fest. Ich hatte Stile recherchiert, verschiedenste Gestaltungsmittel entdeckt, unzählige Fotogalerien durchkämmt und selbst im Studio des PHOTO+MEDIENFORUM KIEL experimentiert. Zum Kernziel hatte ich die größte nur denkbare Authentizität erkoren. Jedoch fehlte mir die fesselnde Geschichte als Atmosphäre für diese Authentizität. Und wer könnte mehr Projektionsfläche, Glaubwürdigkeit und Kontext mit sich bringen als ein Mensch? Meine Wahl fiel auf Henriette Davidis, Kochbuchautorin im 19. Jahrhundert und Schöpferin der deutschen Küche. In ihre Lebenswelt wollte ich die Betrachter meines Meisterstücks eintauchen lassen.

 

Ich verbrachte Monate mit tiefgehender Recherche, plünderte eBay, Flohmärkte und Antiquariate auf der Suche nach Informationen und Requisiten und traf mich nicht zuletzt mit den Autoren ihrer Biografie, die auch ein Henriette-Davidis-Museum betreiben. Ausgerüstet mit vielschichtigem Hintergrundwissen und zahllosen Requisiten stürzte ich mich in die Planung:

Die größte Faszination ging für mich aus Davidis Rezepten, ihrer vielschichtigen Persönlichkeit und ihrer Arbeitsweise hervor. Um diese Aspekte bestmöglich in Szene zu setzen, entschied ich mich für die Schwerpunkte Werbefotografie (Food), Illustrationsfotografie (Work) und Aus- und Weiterverarbeitung (Video). 


Innerhalb des Bereichs der Food-Fotografie entstanden acht Aufnahmen, die süße und herzhafte Backwaren nach Davidis originalen Rezepten zeigen. Die Aufnahmen sind unterteilt in zwei Viererarrangements, das eine eher hell und lieblich anmutend, das andere eher dunkel und geheimnisvoll. Alle lieblichen Bilder verbindet ein weicher Tageslichtcharakter. Alle rustikalen Bilder wurden in samtigen, dunklen Farben, also im Stil „Mystic Light“, fotografiert. Den beiden Lichtstimmungen entsprechend, wählte ich für die lieblichen Aufnahmen eher helle und leichte und für die düsteren Aufnahmen eher dunkle und schwer erscheinende Backwaren. Was beide Arrangements hingegen vereint, ist der Gestaltungsstil „Perfectly Imperfect“. Diese Art der Bildgestaltung kann mit vier Worten charakterisiert werden: authentisch, spontan, fantasievoll und zufällig. Hier geht es nicht um perfekt gestylte Inszenierungen, sondern um die Lust am spontanen Ausprobieren in einer ohnehin unvollkommenen Welt. Statt des Strebens nach Perfektion vermittelt diese Bildsprache Lebensfreude, Individualität und Gelassenheit.


Dieser Stil fasziniert mich, weil er eben keine Inszenierung zeigt, sondern authentisch ist. Es sind gewohnte Anblicke, wie Blicke in die eigene Küche. Man sieht, womit man gekocht oder gebacken hat und kann sich damit identifizieren. Henriette Davidis war bekannt für ihre saubere Arbeitsweise. Daher habe ich den Stil für mich so umgesetzt, dass diese Eigenschaft sichtbar und nicht ganz so viel gekleckert und gekrümelt wird. Ich wollte mit ausgewählten, authentischen Requisiten eine reale Anmutung schaffen. Die Requisiten sind nicht nur Beiwerk, sondern unterstützen die Story. Insofern habe ich versucht, mich nicht nur an einem bestehenden Gestaltungsstil zu orientieren, sondern ihm meinen eigenen Stempel aufzudrücken.


Mein Streben nach Authentizität manifestiert sich ebenso in den Aufnahmen aus dem Bereich Illustration: Durch einen Videodreh kannte ich das „Alte Haus Kiel“, einen Bau aus dem frühen Mittelalter, und hatte damit meine passende Location gefunden. Zu meinem Glück hat die Inhaberin des Hauses eine frappierende Ähnlichkeit mit Henriette Davidis und ich konnte sie als Modell für meine Illustrationsstrecke gewinnen. In den Aufnahmen habe ich versucht, die verschiedenen Facetten der Person Henriette Davidis zu beleuchten: Sie kochte und buk, schrieb ihre Rezepte nieder und lehrte zusätzlich Hauswirtschaft an einer höheren Töchterschule. Dementsprechend ist Davidis in der ersten Aufnahme als detailverliebte Köchin mit ruhiger Hand, in der zweiten Aufnahme als konzentrierte und akribische Autorin und in der dritten Aufnahme als fürsorgliche und stolze Lehrerin dargestellt. Die Illustrationsserie greift abermals durch eine dunkle und samtige Anmutung den Stil „Mystic Light“ auf und baut so eine Brücke zu den Food-Aufnahmen.


Das Video, das den Bereich Aus- und Weiterverarbeitung abdeckt, veranschaulicht den Arbeitsprozess und den handwerklichen Aspekt hinter einem der Rezepte der Food-Strecke. In einer authentischen Stimmung kann der Betrachter hier die Entstehung der Backware verfolgen. Die Einbindung von Bewegtbild in mein Meisterstück war mir ein besonderes Anliegen, weil es mir die Möglichkeit bot, die ruhige, bedachte und dennoch leidenschaftliche Arbeitsweise Davidis in einer Art darzustellen, die mir eine einzelne Aufnahme nie ermöglicht hätte. Das Video weist Tageslichtcharakter auf und schließt somit ebenfalls an die Food-Strecke an. 


Mein persönliches Fazit: Die nahezu reibungslose Umsetzung meines Meisterstücks gelang mir nur aufgrund monatelanger Vorbereitung und intensiver Auseinandersetzung mit dem Gesamtkonzept. Zwischenzeitlich fertigte ich immer wieder Testaufnahmen an, um die Umsetzbarkeit meiner Ideen auf den Prüfstand zu stellen. Dies kann ich an dieser Stelle jedem angehenden Fotografenmeister wärmstens ans Herz legen. Nichts ist schlimmer, als während der Umsetzung einen Denkfehler zu entdecken. Wer plant, Bewegtbild in sein Meisterstück zu integrieren, sollte in jedem Fall darüber nachdenken, sich ein kleines Team zur Seite zu stellen, da es einem etliche Takes erspart. 


Trotz des zeitlichen, finanziellen und nervlichen Aufwands ist ein gelungenes Meisterstück jeden Euro, jeden Tobsuchtsanfall und jede Minute wert. Denn der Meisterbrief ist und bleibt eine Garantie für eine sehr hohe Qualitätsmesslatte und darüber hinaus eine persönliche Anerkennung, die im Fotografenhandwerk ihresgleichen sucht. Außerdem kann die intensive Auseinandersetzung mit verschiedenen Arten der Fotografie im Rahmen des Meisterlehrgangs auch ein hervorragender Richtungsweiser für die zukünftige Orientierung sein.


Zuletzt möchte ich mich herzlich bei Ute Nolte, Geschäftsführerin des  PHOTO+MEDIENFORUM KIEL, für die Ermöglichung des Vorbereitungslehrgangs auf die Meisterprüfung im Fotografenhandwerk und bei Projektleiter Henning Arndt bedanken, der mir vor und während des Lehrgangs stets mit Rat und Tat zur Seite stand.